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Alle Zeit der Welt

Frau schreibt mit Stift in eine Kladde Kolumne. Stahler Kolumna sitzt dabei im Gras.

Wenn ich die mal hätte. Die Zeit läuft mir davon.
Es ist fast so, als würde ich morgens fünf Minuten zu spät aufstehen und somit die komplette Kontrolle über den Tag verlieren. Ich hetze ständig diesen fünf Minuten hinter her, und das jeden Tag! Also mal Sieben, sind 35 Minuten die Woche, und das ergibt 160 Minuten im Monat!

Ich versuche die verlorene Zeit einzuholen. Während ich bügele, erledige ich zeitgleich wichtige Telefonate; beim Geschirrspüler ausräumen, koche ich das Essen und parallel wird gefegt. Ich habe mich beim Duschen schon erwischt, dass ich – während es noch schäumt – schon die Duschwand abziehe und mit dem großen Onkel Seifenreste am Boden wegschrubbele. Grausam. Gewinnen tue ich hier keine einzige Minute, im Gegenteil. Im Anschluss an diese zeitgleich ausgeführten Handlungen ergibt sich ein komplettes Chaos. Ich weiß nicht mehr, ob schon Salz im Essen ist und wann der Zahnarzt Termin war. Und, wo ist zum tausendsten Mal meine Brille oder noch schlimmer das Handy.

Wie und wo auch immer – vielleicht fehlt mir Zeit, da ich mich von irgendetwas ablenken lasse. Besonders vom ständigen Vibrieren meines Handys. Kaum bemerke ich diesen kleinen, kaum hörbaren Ton, schon wird aufs Knöpfchen gedrückt. Ahhh, mein Lieblingsemojii in der Lieblingsgruppe: Daumen hoch. Gut, dass ich es als Erster gesehen habe. Ja, manchmal stresst mich Social Media und Co. und ganz besonders der kleine blaue Punkt, der eine Statusmeldung ankündigt. Aber ohne???

Mein Suchtverhalten erschreckt mich. Erst neulich habe ich mein Handy nicht mit in die Stadt genommen. Bewusst. Noch nicht ganz angekommen, suche ich es schon, um eine Öffnungszeit zu googeln, um einen Preis nachzugucken oder, um kurz die vergessene Einkaufsliste abzurufen. Unglaublich. Wenn mich jetzt einer anruft, dann bin ich nicht erreichbar? Oje, ich muss den Stadtgang abbrechen. Zu Hause angekommen stelle ich fest, dass keine Nachricht, kein Anruf und auch kein blauer Punkt zu sehen sind. Hätte ich mir doch Zeit lassen können. Also morgen nochmal los. Eigentlich habe ich dafür gar keine Zeit. Ach, ich könnte ja auch alles online bestellen, wo ist denn mein Handy… Gruselig, ich dreh mich im Kreis.

Ich sollte bewusst versuchen, mir Zeit zu nehmen. Nur ICH kann es ändern. Beim Rückblick auf die Bildschirmzeit der letzten Woche (es waren aber auch Wahlen in Amerika), bin ich erschrocken, wie viel Zeit ich verdamelt habe, ohne irgendeinen Gewinn. Also Ziele setzen: Bildschirmzeit halbieren, unnötige Apps entsorgen, lieber mit den Kindern spielen als mit virtuellen Figuren. Gerade im 2. Lockdown fast etwas schwierig. Viele Kontakte werden nur so gehalten. Naja los, ganz weglegen will ich es dann doch nicht. Nur ein bisschen bewusster nutzen, also einen Entzug light. Mal sehen, wie es mir gelingt.

So. Ich gehe jetzt ohne Handy spazieren. Und ohne Uhr. Zeitlos und ohne Empfang. Wie verrückt. Bis dann also, auf unbestimmte Zeit…

Liebe Grüße
KK

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