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Felicità

Frau schreibt mit Stift in eine Kladde Kolumne. Stahler Kolumna sitzt dabei im Gras.

 

Mein Auto ist kaputt. Es befindet sich in der Werkstatt, doch es ist noch nicht klar, ob wir uns wiedersehen.
Ich mag mein Auto, wir haben uns nach kurzer Zeit sogar geduzt. Das hat nicht mit allen meinen Autos geklappt. Oft stand eine unüberwindbare Distanz zwischen mir und dem Fahrzeug. Warum auch immer. Namen gebe ich den Autos nie, aber eine gewisse, fast zwischenmenschliche Beziehung kann ich nicht abstreiten.
Desto schlimmer ist für mich jetzt der plötzliche Getriebemechantronikschaden. Autsch. Schon das Wort. Auf einmal, ohne irgendwelche Ankündigung war er da, oder besser war er nicht mehr da: der richtige Gang. Jetzt war ich nicht nur innerhalb des Autos im Leerlauf, sondern auch außerhalb: Seit 14 Tagen ohne KFZ. Was das hier auf dem Land bedeutet, kann sich wohl jeder vorstellen. (Ich durfte übrigens an der Mobilitätsabfrage der Stadt teilnehmen, kam mir gerade richtig. Mal sehen, ob meine Wünsche in punkto Buslinien umgesetzt werden und ob ich den dann auch nutze).

Glücklicherweise kann ich den Wagen meiner Mutter nutzen. Einen altersgerechten Golf Plus, Automatik. Ja, und silber ist er auch. Er ist zuverlässig, treu und bietet aufgrund der vorhandenen Sitzheizung den gewünschten Komfort. Aber mal ganz ehrlich. Ein Golf Plus… Ich wusste ja nicht, was mich erwartet. Mir selber machen Autos dieser Kategorie im Straßenverkehr immer etwas schlechte Laune. Am besten noch mit einem Nummernschild auf dem das passende und weit entfernte Geburtsjahr des Fahrers zu lesen ist. Und die Farbe. Schon an der äußeren Lackierung lässt sich die Spontanität und Spritzigkeit des Fahrers erkennen. Brauntöne oder halt Silber. Puh.

Sehr glücklich einen fahrbaren Untersatz zu haben, starte ich also durch Richtung Arbeitsplatz. Kaum den Ort verlassen, stelle ich fest, dass es in diesem Auto nur einen, maximal zwei Radiosender einzustellen gibt. Entweder WDR 4 oder NDR 1. Na gut, nicht mein Auto, nicht mein Wunschkonzert. Somit starte ich mit ABBA irgendwie doch gutgelaunt in den Tag. Erschreckend textsicher fahre ich so um kurz vor sieben durch Höxter und mit Cat Stevens: Morning has broken“ erscheint die rote Ampel vor mir nur halb so schlimm.

Nein ehrlich, ich bin viel entspannter, auch, weil mir aufgrund des Autos (glaube ich jedenfalls) der nötige Respekt bzw. Abstand gewährt wird. Es fährt keiner zu nah auf, keiner drängelt und ich werde als Linksabbieger sogar vorgelassen. Freundlich nickend. Ich werde häufig überholt, aber das stört mich nicht. Bei 36 Grad Innentemperatur sitze ich mollig warm in einem Wagen, der die 100km/h-Grenze noch nie überschritten hat, und der diesen Geschwindigkeitsrausch definitiv nicht braucht. Denn auch der rasante Überholvorgang mehrerer Autos lässt uns anschließend gemeinsam an der nächsten Ampel stehen. HA. Ich überlege, ob ich den Eiligen freundlich zuwinke und mit einem „Siehst‘e Blick“ mitteile, was die Raserei gebracht hat: nämlich nix. „Im Wagen vor mir fährt ein junges Mädchen“, oh wie passend.
Die Strecke zur Arbeit entwickelt sich für mich nicht zur üblen Zeitverschwendung, sondern zur entspannten Überfahrt. Mein Fuß wippt im Takt, die Finger klopfen taktvoll auf das Lenkrad. Roland Kaiser singt für mich: Extreme. Endlich mal Texte mit Sinn. Weiter geht’s. Laut schmettere ich noch „Schuld war nur der Bossa Nova“… und zuckele schön mit knapp 70 km/h ganz weit rechts über die Landstraße, fehlt nur noch ein passendes Getränk. Can‘t help falling in love with you, Elvis. Das war‘s: Ich steige hier nicht mehr aus. Wenn hier sogar der King für mich singt. Leeeuuuuteee.
Oh, ich merke schon, aus dieser Autonummer werde ich immer verspätet, verträumter und auf alle Fälle musikalischer herausgehen.

Kurz irritiert bin ich dann doch an der Kreuzung von der Frau neben mir. In einem knallroten Cabrio mit ihren mindestens achtzig Jahren sitzt die Dame, ein Leoparden gemustertes Tuch über das schlohweiße Haar gebunden, in einem wirklich schicken Sportwagen. Sie lächelt mich freundlich an, wohl wissend, dass wir beide irgendwie im falschen Auto sitzen. Optisch jedenfalls. Allerdings mit dem gleichen Radiosender. Ne ne, Elvis gehört mir. Neidisch biege ich ab. Wenn ich mal alt bin, kaufe ich mir auch so ein Auto. Und wehe, es lacht mich einer aus.
Ein weiterer Vorteil des Wagens ist es, auf zwei Parkplätzen zu parken. Richtig schön mitten drauf. Kein Platz mehr für Nachbarn, die mir den Lack zerkratzen könnten. Ich sehe zwar ein paar Kopfschüttler, aber das interessiert mich nicht. Das Gefühl von Entspannung und Ausgeglichenheit macht mir hier und heute keiner mehr kaputt. Hier steh‘ ich, also park ich. Mit einem Gefühl der Überlegenheit steige ich aus. Rückenschonend versteht sich. Ich freu mich schon auf den Rückweg. Gar nicht so schlimm, dass Sportlichkeit und Pferdestärke fehlen. Im Gegenteil, ich denke ernsthaft über einen Wagen in der Rentner-Kategorie nach. Vielleicht nicht in Silber. Vielleicht auch kein Golf. Hauptsache zuverlässig.

Ich summe noch das letzte Lied aus dem Radio „Felicità“ von Al Bano und Romina Power. Herrlich. Das wäre doch ein toller Name für ein Auto.

Eure KK

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