Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren (K. Lagerfeld)
Woche 5
Pfpfpfpf
Montag
Unglaublich, wirklich schon die fünfte Woche? Ich verliere mich in Raum und Zeit. Fühlt sich nicht jeder Tag wie ein Montag an? Oder Mittwoch? Wo sind wir? Es sind offiziell Ferien, ich habe Urlaub und fahre nicht weg. Bäh, geplant wie bei so vielen, war eine nette Woche an der See. Nun gut, dann eben nicht. Zeit um den Garten urlaubsreif herzurichten. Schwimmteich? Trampolin? Vielleicht reicht ein gefegter Sitzplatz. Ich werde faul, gemütlich und antriebsarm. Was macht Corona aus mir? Die figurfreundliche Jogginghose ist sogar was für warme Tage, tolles Teil.
Dienstag
Habe ein neues Talent in mir entdeckt. In mich Reinschreien. Richtig laut. Mit Ader am Hals. Und keiner hört es. Dabei freundlich lächeln. Das ist mal ein Talent. Inzwischen bin ich in die Profiliga aufgestiegen. Es gibt verschiedene Stufen, manchmal schwierig zu differenzieren:
Stufe 1:
Kurzer Reinschrei
Spülmaschine nicht ein- und ausgeräumt
Socken vorm Sofa
Ampelhuper
Rotze (gehört in verschiedenem Zustand /Akustiklaut auch gerne in eine andere Gruppe)
Stufe 2:
Langer Reinschrei
Nicht grün werdende Ampel (ohne Gegenverkehr)
Schmutzige Schuhe im frischgewischten Wohnraum
Vorm Haus rausgeworfen werden / Mensch Ärger dich nicht
(ja leider Stufe zwei, ich kann einfach nicht verlieren)
Parkplatzklauer
Stufe 3:
Anhaltender langer Reinschrei (mit Zittern)
Hundekot unterm Schuh
Einkaufen ohne EC-Karte, erst an der Kasse merken
Schokoladenraub
Pubertiere
Nicht endendes Kontaktverbot
Die Liste wird fast täglich erneuert, erweitert und einige Punkte auch mal hoch oder runter geschoben. Je nach Tagesform und Hormonstatus.
Mittwoch
Andere werden Langstreckenläufer ich anscheinend Langstreckensäufer. Setze mich selbst auf Pause. Ich mag auch Wasser. Gerne sogar. Versuche den Tag durch das erste Radiolied positiv zu gestalten:
No milk today ist doof
When will I see you again
auch nächster Sender
Sweet but Psycho
Ja los. Motto für heute.
Donnerstag
Einkaufen wird zum Erlebnis. Fremde Menschen, also völlig fremd, fangen Gespräche an, suchen Nähe, trotz Einkaufswagen. Einstieg über die Suche nach Honig. Kleiner Witz noch über Klopapier und weiter geht es. Ohne Honig aber mit einem kurzen außerhäusigem Gespräch. Und, weil die Gattin ruft. Jeder sehnt sich nach Fremdkontakt, Unterhaltung, Kommunikation. Finde mich todesmutig, weil ich drei Schritte ohne Einkaufswagen gehe, einfach so in den Gang hinein. Ernte böse Blicke, schnell zurück. Ansonsten eigentlich entspannte Stimmung im Laden. Vielleicht auch, weil der Einkaufwagen zwischen uns steht, am Kassenband nicht gedrängelt wird und der Respekt für die Verkäufer an der Kasse gewachsen ist. Ich möchte fast behaupten, dass es mir Spaß macht, so einzukaufen.
Freitag
Mal richtig runterfahren. Sachen machen, zu denen ich sonst keine Zeit habe. Lesen, aufräumen, sortieren. Fühle mich geerdet. Aber es reicht. Suche Ausreden, um andere Menschen zu treffen. Es tut so gut eine Freundin zu treffen. Quatschen, über sinnlose Sachen wie Rezepte, Gewicht, Schuhe, Serien. Fühlt sich verboten an, obwohl wir uns nicht nahekommen. Zu zweit ist ja erlaubt…
Samstag
Shopping time im virtuellen Raum. Einige Läden in unserer Nachbarschaft bieten Online-Shops an. Blumen, Kosmetik, Klamotten – geht alles. Ich fülle den Warenkorb voll, um ihn am Ende des Abends zu löschen. Verliere mich auf verschiedenen Portalen, bin am Ende – wie immer – auf Pinterest gelandet. Projekt für nächste Woche gesucht. Bummeln im Netz ist für mich nix. Ich investiere in gutes Essen und nicht in Frühjahrsmode. Lieferservice ist suuuper!
Sonntag
Aufstehen
Frühstück
Rumlümmeln
Mittagessen
Spaziergang
Kaffee und Kuchen
Ablegen
Tatort
Der Sonntag hat sich nicht verändert. Nur die Anzahl der Menschen mit denen ich verkehre. Sonst sind wir viele; jetzt sind und bleiben es Vier. Bis mittags nur drei, dann vier, ab neun wieder drei. Egal, auf in die letzte Corona-Woche.
Heute bin ich Optimist.
KK