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Sind Pandemie und Bulimie verwandt?

Frau schreibt mit Stift in eine Kladde Kolumne. Stahler Kolumna sitzt dabei im Gras.

 

Woche 2
plus minus null

Montag
Ich bin motiviert. Aktionismus gegen Pessimismus. Starte mit Kind zum Frühsport, auch damit dieses seinen Bewegungsplan in Sport ausgefüllt bekommt. Anschließend werden Fenster geputzt – in ganz Stahle blitzen die Fenster nur so…! Es wird durchgewischt, gesaugt, gewaschen und gebügelt. Ich kann mich fast nicht bremsen… Kurz durch den Garten, gehackt, gefegt und Pläne geschmiedet. Sollte ich heute noch die Steuererklärung schaffen, werd ich verrückt. Heute ist mein Tag. Ich klatsche für mich und meine Leistung. Corona kann mich mal.

Dienstag
Morgendlicher Check-up. Gliederschmerzen. Hat es mich etwa erwischt? Müde und kaputt schleppe ich mich zum Fieberthermometer, kein Fieber. Ich denke, die übermotivierte Person von gestern hat mir das eingebrockt. Vielen Dank. Trotzdem fühlt es sich heute schlecht an. Ich fühle mich schlecht an. Mir fehlt Gesellschaft. Obwohl ich arbeite und dort noch Kontakte habe, fehlen mir meine Leute. Es hat mich erwischt. Nicht viral sondern mental.

Mittwoch
Einkaufen. Ab jetzt nur noch mit Wagen. Schutzabstand oder Verkaufsstrategie? Ich wollte nur Schokolade, rammel aber den ganzen Wagen voll. Viel Schokolade und Rum. Heute gibt’s Eierlikör. Der hebt die Stimmung und lässt mich schneller einschlafen. Ich will heute nix hören von Krise und Infektionen. Nehme mir mein Buch, lese und schlürfe aus Omas Likörgläsern. Schlabber mich voll. Egal, endlich was zu waschen.

Donnerstag
Keine Krankheitssymptome, etwas Kopfschmerzen, am ehesten vom Likör?. Ich gucke irgendwelche schnulzigen Serien in denen am Ende alle, ja alle glücklich sind. Wird die Kontaktsperre schon normal? Es ist für mich seltsam, dass sich Menschen im Film in Gruppen treffen und sich, ja Achtung, festhalten, sogar umarmen – unglaublich. Wir warten weiter auf die „Welle“.

Freitag
Die ganze Jammerei bringt nix. Alle machen mit und das ist gut so. Es wird auch wieder anders, ganz bestimmt. In Gedanken male ich mir die verschieden Szenarien aus, in denen ich zum Frisör gehe, andere Menschen treffe, auf einer Party verrückt tanze, sinnlos Sachen trinke, deren Namen ich nicht aussprechen kann. Hört sich komisch an, mach ich aber, in genau der Reihenfolge. Denke über die Gestaltung von Fotobüchern nach. 3034 Bilder warten darauf. Und dann bin ich mit allem fertig. Kannst du mich hören Corona, dann bin ich mit allem fertig. MIT ALLEM: Auch mit Dir!

Samstag
Gardinen gewaschen. Tanken gefahren für sieben Euro. Ich habe nix mehr zu erzählen. Gucke Kinder und Mann nur noch schweigend an. Ja, selbst mir fehlen die Worte. Suche lustige Reime auf Corona. Überlege ob Pandemie was mit Bulimie zu tun hat. Ich find es auf alle Fälle zum Kotzen.

Sonntag
Nicht nur ich muss das hier aushalten, der Rest muss mich auch aushalten. Inzwischen empfinde ich Mitleid für meine nächsten Angehörigen. Die ungefähr hundert Videos über lustige Isolierte und Quarantäne-Strategien erhellen meinen Alltag und nerven mich gleichzeitig. Wer in aller Welt denkt sich den ganzen Quatsch aus?!

Das Wetter ist heute leider schlechter. Es schneit. Unglaublich. Den Schlitten wachsen hatte ich noch nicht auf meiner To-do-Liste. Wir bleiben daheim und versuchen uns gegenseitig auszuhalten. Toi toi toi. Gesellschaftsspiele vs. Lagerkoller. In diesem Sinne: Mau Mau und Rommee Hand, durchhalten und gesund bleiben, bis nächste Woche.

KK

 

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