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Die kleine Kneipe

Frau schreibt mit Stift in eine Kladde Kolumne. Stahler Kolumna sitzt dabei im Gras.

Zuerst nur ein Gerücht, jetzt bittere Wahrheit. Die letzte Kneipe in Stahle hat geschlossen. Über Jahrzehnte, ja sogar über Generationen hinweg wurde sich hier getroffen. Für manche ist die Schließung eine Randnotiz, für andere eine ernste und traurige Tatsache.

Da Tante Toni und auch Möhrings noch vor meiner „Ausgehzeit“ waren, ist auch für mich ein Stück erwachsen werden hier in diesen Räumen passiert. Hier brauchte es keine Verabredung, keine Textnachricht und auch keine Absprache: hier ging man hin. Entweder war wer da oder auch nicht. Eins war immer sicher, man wurde stets bedient.

Hier wurden wir 18., 40. und auch Weltmeister. Hier wurde Weltpolitik besprochen, Fußballspiele im Detail erklärt (utopisch), Freundschaften geschlossen und getrennt. Hier wurde nicht immer alles verbal geklärt. Hier wurde man vom Wirt herzlich begrüßt und beschimpft (Blutsauger). Hier wurden besonders die kleinen Kunden bevorzugt bedient. Es gab legendäre Partys und Legenden vor und hinter der Theke. Es gab Nächte und auch Tage, die kein Ende fanden. Gefeiert wurde jeder, der ein Bingo auf seinem „Fleißkärtchen“ hatte. Es gab sogar ein Kinderzimmer.

Ob Bundesliga, „Warten aufs Christkind“, Bands, Karaoke, Sparfachleerung… es brauchte keinen Anlass. Es brauchte nur eine Öffnungszeit. Und sollte der Wirt lieber vor dem Tresen als dahinter sitzen, gab es immer einen Gast, der die Zapfanlage ohne Zögern übernommen hat. Die Bedienung war immer auf zack. Es gab laute Musik aus schlechten Boxen und auch schlechte Musik aus guten Boxen. Besonders genossen wurde vom Stammgast jedoch der stille Moment, bei dem einfach nur gesessen und geschwiegen wurde.

Besonders in der letzten Zeit war die „Molke“ durch viele Events gut besucht. Und bestimmt nicht nur mein Mann fragt sich: Wo soll ich denn jetzt hin?

Ich bin gestern am Lokal vorbeigefahren. Und ich war wirklich erschrocken: Die Fenster waren nackt. Der Raum ausgestorben und jetzt fühlt es sich realistisch an. Bisher hatte ich noch die klitzekleine Hoffnung…

Eine Ära geht zu Ende. Emotional besonders auch durch das Abschiedslied von Monaco.

Traurig und bedrückt verabschiede ich mich von Onkel Gerald, Zobel, dem Doktor.

Und von der letzten Kneipe in Stahle:

Die alte Molkerei, Nickel, Molke.

KK

 

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